Sigelwara Land

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In seinem Aufsatz Sigelwara land beschäftigt sich J. R. R. Tolkien mit der Frage, warum die Angelsachsen eine eigene Bezeichnung für die Äthiopier hatten und was der Name bedeutete.

Im ersten Teil führt Tolkien alle Stellen auf, an denen der altenglische Begriff Sigelwaran und dessen häufigere Form Sigelhearwan vorkommen.

Tolkien glaubt, dass der Name Sigelhearwan bereits existierte, bevor die Angelsachsen je von Äthiopiern gehört hatten, und dass in ihm ein Teil der „untergegangenen einheimischen Mythologie [...] oder halbmythischen Geographie“ bewahrt ist. Entsprechend sei es sehr wahrscheinlich, dass die Bestandteile des Wortes alt und deren Bedeutungen unklar seien. Er untersucht ihre Formen und kommt zu dem Ergebnis, dass Sigelwara vermutlich eine recht späte Entstellung sei, geprägt von Menschen, die den ursprünglichen Namen nicht mehr verstanden. Diese hätten anscheinend Sigel für eine geographische Bezeichnung gehalten und das ihnen unbekannte hearwa durch wara („Bewohner“) ersetzt.

Im zweiten Teil des Aufsatzes geht Tolkien auf die Bedeutung der beiden Bestandteile des Wortes ein:

Sigel ist mit der Bedeutung „Sonne“, aber auch „Edelstein“, mehrfach belegt. In welchem Sinne es hier gebraucht wurde, kann auch er nicht endgültig klären. Im Allgemeinen wird angenommen, dass es „Sonne“ bedeutet, was auch Tolkien für wahrscheinlich hält.

Die Bedeutung von hearwa bleibt unklar. Tolkien diskutiert drei Möglichkeiten ausführlicher:

  • Es ist abgeleitet von einem indoeuropäischen Stamm *qer(s) („schwarz“). Ein Sigelhearwa wäre danach jemand, den die Sonne schwarz gemacht hat.
  • Es stammt ab vom germanischen Farbadjektiv *haswo- mit ähnlicher Bedeutung.
  • Es ist verwandt mit gotisch haúri („Kohle“) und altnordisch hyr-r („Feuer“). Tolkien meint, in diesem Fall hätten die Angelsachsen, als sie den Namen Sigelhearwan geprägt hatten, wohl eher an die Söhne Múspells gedacht als an die Kinder Hams. Múspell ist ein Feuerriese der nordischen Mythologie, dessen Söhne bei den Ragnarök gegen die Götter kämpfen und in einem gewaltigen Brand die Welt vernichten. Ham ist laut Bibel (1 Mos 5,32) der Sohn Noahs und Stammvater der Hamiten, der Völker Nordafrikas und Südarabiens (1 Mos 10,6–20).

Tolkien schließt mit der Feststellung, dass Untersuchungen dieser Art zwar zwangsläufig ergebnis-, nicht aber sinnlos seien: sie gewährten einen flüchtigen Einblick in den Hintergrund der englischen und nordischen Traditionen und die Vorstellungswelt einer Vergangenheit, die schon verblasst war, als die ersten schriftlichen Überlieferungen entstanden.

Daten

  • Art: Aufsatz in zwei Teilen
  • veröffentlicht in:
    Teil 1: Medium Ævum Vol. 1, Nr. 3 (Dezember 1932), S. 183-196
    Teil 2: Medium Ævum Vol. 3, Nr. 2 (Juni 1934), S. 95-111

Sonstiges

  • Die beiden Teile des Aufsatzes werden kurz besprochen in The Year’s Work in English Studies Vol. XIII bzw. XV.
  • Tom Shippey weist in seinen Büchern Der Weg nach Mittelerde und J. R. R. Tolkien: Autor des Jahrhunderts darauf hin, dass die Verschmelzung von Sonne und Edelstein im Wort sigel möglicherweise etwas mit Tolkiens Vorstellung der Silmarils zu tun hat, die im Silmarillion beschrieben werden als Edelsteine, in denen Feanor das Licht der Bäume von Valinor eingefangen hat. Gleichermaßen erinnert die Erklärung der Sigelhearwa an die Beschreibung des Balrogs im Herrn der Ringe: „Es war zugleich ein Schatten und eine Flamme, stark und entsetzlich.“ (Kapitel II, 7: „Galadriels Spiegel).
  • Der Titel des Aufsatzes, Sigelwara land, stammt aus einem dem Aufsatz vorangestellten Zitat aus dem altenglischen Gedicht Exodus (Zeilen 69–71):
    Sigelwara land, forbærned burh-hleoðu, brune leode, hatum heofoncolum.
In seiner Ausgabe des Textes, The Old English Exodus, postum zusammengestellt aus Vorlesungsmaterialien, übersetzt dies Tolkien mit Sundwellers’ land, hill-slopes scorched and folk grown swart under the hot surface of the skies (in etwa „Land der Sonnenbewohner, verdorrte Abhänge und Menschen, die unter der heißen Oberfläche des Himmels dunkel geworden sind“).

Quellen

Veröffentlichungen
Werke Tolkiens
Über Arda Autorisiert von
J. R. R. Tolkien
Der Hobbit (1937) • Der Herr der Ringe
(I. Die Gefährten (1954) • II. Die Zwei Türme (1954) • III. Die Rückkehr des Königs (1955)) •
Die Abenteuer des Tom BombadilThe Road Goes Ever On (1967) • Bilbos Abschiedslied (1974)
Herausgegeben von Christopher Tolkien Das Silmarillion (1977) • Nachrichten aus Mittelerde (1980) • The History of Middle-earth
(I. Das Buch der Verschollenen Geschichten Teil 1 (1983) • II. Das Buch der Verschollenen Geschichten Teil 2 (1984) • III. The Lays of Beleriand (1985) • IV. The Shaping of Middle-earth (1986) • V. The Lost Road and Other Writings (1987) • VI. The Return of the Shadow (1988) • VII. The Treason of Isengard (1989) • VIII. The War of the Ring (1990) • IX. Sauron Defeated (1992) • X. Morgoth’s Ring (1993) • XI. The War of the Jewels (1994) • XII. The Peoples of Middle-earth (1996) • Index (2002)) •
Die Kinder Húrins (2007) • Beren und Lúthien (2017) • Der Fall von Gondolin (2018)
Andere Herausgeber Das große Hobbit-Buch (1988) • The History of The Hobbit (2007) • Natur und Wesen von Mittelerde (2021) • Der Untergang von Númenor (2022)
Nicht-Arda Kurzgeschichten
und anderes
Blatt von Tüftler (1945) • Bauer Giles von Ham (1949) • Der Schmied von Großholzingen (1967) • Briefe vom Weihnachtsmann (1976) •
Herr Glück (1982) • Roverandom (1999) • Baum und Blatt (1964, Zusammenstellung) • Geschichten aus dem gefährlichen Königreich (1997, Zusammenstellung) • Die Bovadium Fragmente (2025)
Fiktionale Werke Die Legende von Sigurd und Gudrún (2009) • König Arthurs Untergang (2013) • Die Geschichte von Kullervo (2015) • The Lay of Aotrou and Itroun (1945; erstmals in einem Buch 2018)
Übersetzungen und akademische Werke Sir Gawain and the Green Knight, Pearl, and Sir Orfeo (1975) • The Old English Exodus (1981) • Finn and Hengest (1982) •
Die Ungeheuer und ihre Kritiker (1983) • Beowulf and the Critics (2002) • Tolkien On Fairy-stories (2010) •
Beowulf: A Translation and Commentary (2014) • A Secret Vice (2016) • Die Schlacht von Maldon und Die Heimkehr von Beorhtnoth (2023)
Briefe & Gedichte J. R. R. Tolkien Briefe (1981) • The Collected Poems of J. R. R. Tolkien (2024)
Andere
akademische Werke
A Middle English Vocabulary (1922) • Sir Gawain and the Green Knight (1925) • The Devil’s Coach-Horses (1925) • Ancrene Wisse and Hali Meiðhad (1929) • The Name Nodens (1932) • Sigelwara Land (1932–34) • Chaucer as a Philologist: The Reeve’s Tale (1934) • Beowulf: The Monsters and the Critics (1936) • On Fairy-Stories (1939) • On Translating Beowulf (1940) • Sir Orfeo (1944) • ‘iþþlen’ in Sawles Warde (1947) • A Fourteenth-Century Romance (1953) • Ancrene Wisse (1962) • Beiträge zur Jerusalemer Bibel (als Übersetzer und Lexikograph, 1962) • English and Welsh (1963)
Werke anderer Autoren
Bücher über Arda Das große Mittelerde-Lexikon (1978) • The Lord of the Rings: A Reader’s Companion (2005) •
The Maps of Middle-earth (2024)
Tolkien-Biographien J. R. R. Tolkien: Eine Biographie (1977) • The Inklings (1978) • Tolkien und der Erste Weltkrieg (2003)
Wissenschaftliche Bücher Der Weg nach Mittelerde (1982) • The Keys of Middle-earth (2005) • The J. R. R. Tolkien Companion and Guide (2005) •
The Ring of Words (2006) • A Companion to J. R. R. Tolkien (2014) • Tolkien’s Lost Chaucer (2019) • Tolkien’s Library (2019) • Tolkien on Chaucer, 1913–1959 (2024)
Wissenschaftliche Zeitschriften Tolkien Studies • (The Chronology)
Andere Werke Tolkiens
Linguistische Zeitschriften Vinyar Tengwar (seit 1988; verschiedene Ausgaben) • Parma Eldalamberon (seit 1971; Ausgabe 11–23)
Sammlungen von Kunst
und Manuskripten
Pictures by J. R. R. Tolkien (1979) • J. R. R. Tolkien: Life and Legend (1992) • J. R. R. Tolkien – Der Künstler (1995) •
Die Kunst des Hobbit (2011) • Die Kunst des Herr der Ringe (2015) • Tolkien: Schöpfer von Mittelerde (2018) •
Tolkien: Treasures (2018) • J. R. R. Tolkien: The Art of the Manuscript (2022)
Für eine vollständigere Liste der Veröffentlichungen Tolkiens, siehe Bibliographie Tolkiens.