Hobbit-maaltijd - Das Hobbit-Dinner
Das Hobbit-maaltijd bzw. Hobbit-Mahlzeit (Dinner) war, wie Tolkien schreibt, eine Veranstaltung, die er "gewiss niemals vergessen wird, noch die mir erwiesene Gnade und Güte aller." [1]
Hintergrund
Cees Ouboter, ein Mitarbeiter der niederländischen Buchhändler Voorhoeve & Dietrich kam 1957 auf die Idee , J. R. R. Tolkien zu einem der damals berühmten literarischen Mittagessen von Voorhoeve & Dietrich nach Holland einzuladen. Um den Geist des Romans widerzuspiegeln, sollte der Besuch in Form eines Banketts, eines „Hobbit-Dinners”, stattfinden.[2]
In der zweiten Hälfte des Jahres 1957 wandte er sich mit seiner Idee an Het Spectrum, Tolkiens niederländischen Verleger des Herrn der Ringe - In de Ban van de Ring – De Reisgenoten. Die Verantwortlichen des Verlages waren begeistert, da Het Spectrum auf gute Werbemaßnahmen angewiesen war, um den Verkauf anzukurbeln. Mit dem Segen des Verlags und der Zusage finanzieller Unterstützung schrieb Cees Ouboter Ende 1957 über Rayner Stephens Unwin, von Tolkiens Verlag Allen & Unwin, einen Einladungsbrief an Tolkien.[3][4]
Neben der Weitergabe der Einladung regt Rayner Stephens Unwin an, dass Tolkien eine Tonbandaufnahme mit einer Begrüßung und ein bis zwei gelesenen Buchpassagen für die niederländischen Leser schicken könnte, sollte eine Teilnahme nicht in Frage kommen. [5][6]
Im Dezember 1957 teilt Tolkien zunächst Rayner Stephens Unwin mit, dass er die Reise nicht organisieren kann und schreibt ebenfalls an Cees Ouboter: "Seine eigene schlechte Gesundheit und die seiner Frau haben ihn daran gehindert, früher zu schreiben. Leider wird er im Januar nicht nach Holland kommen können."
Anfang März 1958 bestätigt er jedoch seinen Besuch und reist am 28. März nach Rotterdam.
Das "Hobbit-maaltijd" findet wie geplant am 28. März statt und am 2. April 1958 schreibt Tolkien ein Danke-Brief an Cees Ouboter[7]
Das „Hobbit-Maaltijd”
Tolkien kam am frühen Morgen des 28. März mit der „SS Duke of York”, der Fähre zwischen Harwich und Hoek van Holland, auf dem Seeweg in Hoek van Holland an und fuhr dann mit dem Zug nach Rotterdam. (Damit verpasste er Königin Elizabeth II. nur knapp, die am Abend vorher Rotterdam verlassen hatte.)[8]
In Rotterdam wurde er zunächst von Cees Ouboter (Voorhoeve & Dietrich) empfangen, der ihn an Jo van Rosmalen (Het Spectrum) übergab. Im Brief 206 vom 8. April 1958 berichtet Tolkien Rayner Stephens Unwin[9]:
| „ | ...sah ein Gutteil von der bedrückenden Welt des in Trümmern liegenden und halb wieder aufgebauten Rotterdam. Ich denke, es ist hauptsächlich die Kluft zwischen dieser trostlosen Welt mit ihrem gigantischen und weitgehend entmenschlichten Wiederaufbau und den natürlichen, von den Vorfahren geprägten Neigungen der Holländer, die sie (wie es scheint), und besonders in R[otterdam], nahezu verrückt gemacht hat nach Hobbits! | “ |
– J. R. R. Tolkien | ||
und dass der
| „ | Weihrauch dick und benebelnd war; und die Freundlichkeit überwältigend. | “ |
– J. R. R. Tolkien | ||
Am Abend nahm er schließlich als Ehrengast an dem "Hobbit Maaltijd" teil. Das Abendessen fand in einem Versammlungssaal, dem Flevo-Saal, statt, der Teil eines heute nicht mehr existierenden Gebäudes namens Twaalf Provinciën Huis war.
Ausführliche Berichte zu dem Tag sind bei Skull & Hammond so wie im Artikel (s. u. Direktlink) Tolkien's Exceptional Visit to Holland: A Reconstruction - Mythlore zu finden. Auch Tolkien gibt seine Eindrücke in seinem Brief 206 wieder.
Hier wird eine kurze Zusammenfassung des Tages gegeben[10]: Die Veranstaltung fand im „Twaalf Provincien Huis“ in Rotterdam statt und begann um 18 Uhr mit einem feierlichen Einzug Tolkiens und anderer Ehrengäste an der Festtafel. Cees Baars von Voorhoeve & Dietrich eröffnete den Hobbit-Dinner-Abend, der als Hommage an Tolkien gedacht war, und übergab die Leitung an Guus Sotemann. Es folgten insgesamt neun Reden von Autoren und Autorinnen, Verlagsvertretern, Freunden Tolkiens und Kunden des Buchhändlers. Die Beiträge reichten von tiefgehenden Interpretationen (z. B. Hella Haasses allegorische Deutung) über humorvolle Ansprachen bis zu einer eher seltsamen, von Tolkien belächelten psychologischen Analyse. Einige Reden waren zu lang, sodass das Essen kalt wurde – nur Tolkien aß sofort, wie ein echter Hobbit.
Das Menü trug phantasievolle Namen wie „Eiersalat à la Barliman Butterbur“ oder „Gemüse der Goldberry“. Sogar eine „Maggotsuppe“ (Pilzsuppe) und Fleisch am Freitag wurden serviert – letzteres mit kirchlicher Sondergenehmigung für den katholischen Tolkien. Danach gab es Pfeifen und Tabaksorten aus dem „Auenland“.[11]
Tolkien gab Autogramme und schrieb auch in Tengwar. Höhepunkt war seine eigene Rede: eine humorvolle Parodie auf Bilbos Abschiedssprache, mit niederländischen und elbischen Einsprengseln, die beim Publikum sehr gut ankam. Auf die Frage, ob „Der Herr der Ringe“ politische Allegorie sei, antwortete er knapp: „Absolutely nothing, madam“.
Der folgende Tag
Am 29. März besuchte er mit seinem Freund, Professor Piet Harting von der Universität Amsterdam, das Mauritshuis in Den Haag und fuhr anschließend zu einem privaten Abendessen nach Amsterdam. Am 30. und 31. März besuchte Tolkien Amsterdam und die Universität; dort gesellten sich Studenten der englischen Fakultät zu ihm und unternahmen „eine äußerst hobbitartige Expedition zur Brennerei Wynand Fockink [12].[13][14]
Tolkiens Rede
Tolkien hielt seine kurze Rede auf Englisch und Niederländisch, in deren Mitte ein Gedicht mit dem Titel „Zwanzig Jahre sind mit dem langen Fluss vergangen” in Quenya und Englisch stand.
Im Jahr 1993 wurde eine Audioaufnahme der Rede von René van Rossenberg entdeckt (die unveröffentlicht blieb), der später, im Jahr 1995, einen Artikel in Mythlore 80 veröffentlichte, in dem er die Ereignisse dieses Abends detailliert beschrieb. (s. u.)
Ein Auszug aus der Aufnahme erschien 2014 in einem Online-Artikel.[15]
Neben der mündlichen Überlieferung fertigte Tolkien auch ein schriftliches Manuskript für die Rede an, das drei Versionen des Quenya-Gedichts enthält. Im Jahr 2024 wurden ein Teil der Rede und der vollständige Text des Gedichts als Eintrag 182 in The Collected Poems of J.R.R. Tolkien (2024) veröffentlicht.[16]
Das Gedicht "Yénion Yukainen Nunn’ ar Anduine Lútie Loar! Loä Yukainen avar Anduinë Sí Valútier"
Tolkien fertigte eine Quenya-Übersetzung des Gedichtes an. Eine postume Veröffentlichung war bereits für Herbst 2014 geplant und versucht, den ursprünglichen Quenya-Text vor seiner Veröffentlichung nachzubilden. Während die Aufnahme und das vollständige englische Gedicht unveröffentlicht blieben, wurde der elbische Text 2024 veröffentlicht.[17]
Das Gedicht ist in verschiedenen Versionen (als A, B, C bezeichnet)[18] erhalten und wurden in einem Sammelband veröffentlicht. Um einen Eindruck zu bekommen, werden die ersten Zeilen aus der finalen Fassung C wiedergegeben[19][20]:
| „ | Loä yukainen avar Anduinë sí valútier:
i aluvar koivienyo eärello nantule.
|
“ |
– J. R. R. Tolkien | ||
Die englische Fassung, rekonstruiert aus den gefundenen Audiodateien[21]:
| „ | Twenty years have flowed away down the long river
And never in my life will return for me from the sea
|
“ |
„Hobbit-Maaltijd” in den Tolkien Briefen
Tolkien steht vor der Veranstaltung mehrere Monate in enger Korrespondenz mit den Veranstaltern. In folgenden Briefen nimmt Tolkien Bezug auf die Veranstaltung:
Links
- PDf-Direktdownload: Tolkien's Exceptional Visit to Holland: A Reconstruction - Mythlore
- tolkiengateway - Twenty years have flowed away down the long river
- DTG-Homepage - Hobbit Maaltijd, Tolkien-Aufnahme und warum sie genau jetzt öffentlich wird
- tolkiensociety - Lost Tolkien voice recording discovered
Quellen
- ↑ Humphrey Carpenter, The letters of J. R. R. Tolkien - revised and expanded Edition; Briefe, 1. englische Auflage, HarperCollinsPublisher 2023, S. 383
- ↑ van Rossenberg, René (1996) "Tolkien's Exceptional Visit to Holland: A Reconstruction," Mythlore: A Journal of J.R.R. Tolkien, C.S. Lewis, Charles Williams, and Mythopoeic Literature: Vol. 21: No. 2, Article 45. Available at: https://dc.swosu.edu/mythlore/vol21/iss2/45
- ↑ Wayne G. Hammond, Christina Scull und J. R. R. Tolkien: The J. R. R. Tolkien Companion and Guide (Boxed Set) - Chronology, Harper Collins Publ. UK; Revised and expanded edition (2. November 2017) S. 534
- ↑ van Rossenberg, René (1996) "Tolkien's Exceptional Visit to Holland: A Reconstruction," Mythlore: A Journal of J.R.R. Tolkien, C.S. Lewis, Charles Williams, and Mythopoeic Literature: Vol. 21: No. 2, Article 45. Available at: https://dc.swosu.edu/mythlore/vol21/iss2/45
- ↑ Wayne G. Hammond, Christina Scull und J. R. R. Tolkien: The J. R. R. Tolkien Companion and Guide (Boxed Set) - Chronology, Harper Collins Publ. UK; Revised and expanded edition (2. November 2017) S. 534
- ↑ Wayne G. Hammond, Christina Scull und J. R. R. Tolkien: The J. R. R. Tolkien Companion and Guide (Boxed Set) - Chronology, Harper Collins Publ. UK; Revised and expanded edition (2. November 2017) 543, 546ff 553
- ↑ Wayne G. Hammond, Christina Scull und J. R. R. Tolkien: The J. R. R. Tolkien Companion and Guide (Boxed Set) - Chronology, Harper Collins Publ. UK; Revised and expanded edition (2. November 2017) 543, 546ff 553
- ↑ van Rossenberg, René (1996) "Tolkien's Exceptional Visit to Holland: A Reconstruction," Mythlore: A Journal of J.R.R. Tolkien, C.S. Lewis, Charles Williams, and Mythopoeic Literature: Vol. 21: No. 2, Article 45. Available at: https://dc.swosu.edu/mythlore/vol21/iss2/45
- ↑ Humphrey Carpenter, J. R. R. Tolkien Briefe, 4. deutsche Auflage, Klett-Cotta S. 563
- ↑ van Rossenberg, René (1996) "Tolkien's Exceptional Visit to Holland: A Reconstruction," Mythlore: A Journal of J.R.R. Tolkien, C.S. Lewis, Charles Williams, and Mythopoeic Literature: Vol. 21: No. 2, Article 45. Available at: https://dc.swosu.edu/mythlore/vol21/iss2/45
- ↑ Humphrey Carpenter, J. R. R. Tolkien Briefe, 4. deutsche Auflage, Klett-Cotta S. 349
- ↑ (Brief an Rayner Unwin, 8. April 1958, Tolkien–George Allen & Unwin Archiv, HarperCollins. Siehe auch René van Rossenberg, Hobbits in Holland: Leven en Werk van J.R.R. Tolkien (1892–1973); Johan Vanhecke, J.R.R. Tolkien, 1892–1992 (1992); René van Rossenberg, „Tolkien’s Exceptional Visit to Holland: A Reconstruction“, in Proceedings of the Tolkien Centenary Conference 1992, hrsg. von Patricia Reynolds und Glen H. GoodKnight (1995); Johan Vanhecke, In de Ban Van de Hobbit: Leven en Werk van Tolkien (2005)
- ↑ Wayne G. Hammond, Christina Scull und J. R. R. Tolkien: The J. R. R. Tolkien Companion and Guide (Boxed Set) - Reader's Guide Part II N - Z, Harper Collins Publ. UK; Revised and expanded edition (2. November 2017) S. 846f
- ↑ Wayne G. Hammond, Christina Scull und J. R. R. Tolkien: The J. R. R. Tolkien Companion and Guide (Boxed Set) - Chronology, Harper Collins Publ. UK; Revised and expanded edition (2. November 2017) S. 550f
- ↑ https://www.huffpost.com/entry/jrr-tolkien-reveals-the-t_b_5373529
- ↑ Scull & Hammond und J.R.R. Tolkien: The Collected Poems of J. R. R. Tolkien (Boxed set Edition) - HarperCollins (12. September 2024) S. 1297
- ↑ https://tolkiengateway.net/wiki/Twenty_years_have_flowed_away_down_the_long_river
- ↑ Scull & Hammond und J.R.R. Tolkien: The Collected Poems of J. R. R. Tolkien (Boxed set Edition) - HarperCollins (12. September 2024) S. 1297
- ↑ Scull & Hammond und J.R.R. Tolkien: The Collected Poems of J. R. R. Tolkien (Boxed set Edition) - HarperCollins (12. September 2024) S.
- ↑ https://tolkiengateway.net/wiki/Twenty_years_have_flowed_away_down_the_long_river
- ↑ https://tolkiengateway.net/wiki/Twenty_years_have_flowed_away_down_the_long_river
