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Als '''Mythologie''' (von altgriechich μῦθος ''mythos'' „Erzählung, Rede“ und -logie; μυθολογία ''mythología'' ursprünglich: „Sagengeschichte“), deutsch auch '''Sagenwelt''', wird die Gesamtheit der Mythen einesKulturareals oder eines Volks, einer Region oder einer sozialen Gruppe sowie ihre systematische Darlegung in literarischer, wissenschaftlicher oder religiöser Form bezeichnet. Daneben bestehen verschiedene kulturübergreifende Unterteilungen wie die Astralmythologie, die Zahlenmythologie und die Eschatologie. Das deutsche Wort „Mythologie“ fand erstmals 1712 Verwendung in dem Buch ''Die teutsche Mythologie oder Beschreibung heidnischer Götter''.<ref>Werner Betz: ''Vom „Götterwort“ zum „Massentraumbild“: Zur Wortgeschichte von „Mythos“.'' In: Helmut Koopmann (Hrsg.): ''Mythos und Mythologie in der Literatur des 19. Jahrhunderts.'' Vittorio Klostermann, Frankfurt am Main 1979, S. 11–24.</ref>
 
== Mythologie als Wissenschaft ==
Neben einem Verständnis als Sammlung von Geschichten mythischen Charakters, etwa in Bezug auf die antike Mythologie der Götter<ref>Vgl. etwa August Heinrich Petiscus: ''Der Olymp oder Mythologie der Griechen und Römer.'' Leipzig 1883.</ref> verschiedener Länder, wurde der Ausdruck ''Mythologie'' – vor allem in moderner Zeit – auch parallel zu ähnlichen Begriffsbildungen (etwa ''Theologie, Biologie'') als „Wissenschaft von den Mythen“ gedeutet (Mythenforschung). Die in diesem Sinn verstandene wissenschaftliche Mythologie beschäftigt sich mit der Frage nach der Herkunft der Mythen und ihrem Verhältnis zu anderen Erzählformen wie Legende, Sage oder Epos. Moderne Märchen enthalten oft Elemente, die sie mit Mythen vergleichbar machen. Die Entwicklung der Mythen als erzählerischer Gattung und ihre Transformation zu Märchen bildet einen Gegenstand der Erzählforschung. Die Entstehung von Mythen ist daneben auch Gegenstand der Psychologie, besonders der im Laufe des 19. Jahrhunderts aufkommenden Völkerpsychologie, die in Carl Gustav Jungs Theorien des kollektiven Unbewussten und der Archetypen einen Nachfolger fand.
 
Soweit der Gegenstand der Mythen religiös gesehen wird, ist ihre Erforschung eng mit der Geschichte der Religion verbunden. Informationen aus Mythen sind wichtig zur Rekonstruktion religiöser Vorstellungen, die manchmal Inhalte unterschiedlicher mythologischer Ursprünge zu einem System verbinden. Der britische Schriftsteller Robert Graves definierte Mythologie als „Erforschung jener religiösen oder heldenhaften Legenden, die in der Erfahrung des Studenten so fremdartig sind, dass er sie nicht für wahr halten kann.“<ref>Robert Graves: ''Introduction''. In: Richard Aldington (Hrsg.): ''New Larousse Encyclopedia of Mythology.'' Putnam, New York 1968, S. v (englisch).</ref> Joseph Campbell wies darauf hin, dass aus religiöser Sicht ''Mythos'' als „die Religion anderer Leute“ definiert werden kann. Insofern sei Religion „missverstandene Mythologie“. Das Missverständnis bestehe darin, dass „mythische Metaphern als Hinweise auf unumstößliche Tatsachen interpretiert werden“.<ref>Joseph Campbell: ''Myths from West to East.'' In: Alexander Eliot (Hrsg.): ''Myths.'' McGraw-Hill, New York 1976, S. 31 (englisch).</ref>
 
== Themen ==
Zentrale Themen von kosmogonischen Mythen sind die Erschaffung der Welt aus dem Urmeer, die Ordnung der Welt um einen Weltenberg] sowie Prozesse der Zerstörung und anschließender Erneuerung dieser Ordnung, häufig in Verbindung mit dem Kampf unterschiedlicher Mächte (sowohl konkreter Göttergestalten, Himmel und Erde, als auch abstrakter Eigenschaften wie ''gut'' und ''böse'', ''hell'' und ''dunkel''). Sie sind nicht als historische Wirklichkeit gedacht, sondern als Darstellung einer archetypischen, metaphysischen Struktur „hinter der Wirklichkeit“ in sprachlichen Bildern.
 
Einen weiteren Schwerpunkt von Mythologien bilden die Erschaffung des Menschen und, von den ersten Menschen ausgehend, die [[Genealogie|genealogische Ableitung von Herrschergeschlechtern, seltener von Göttern oder von anderen Völkern hohen Ansehens. Sie dienen der religiösen Herrschaftslegitimation und dem Zusammengehörigkeitsbewusstsein von Stämmen durch das „Wir-Gefühl“ gleicher Abstammung. Als Beispiel kann die altnordische [https:/de.wikipedia.org/wiki/Ynglingatal] dienen.
 
== Figuren der Mythologie ==
Die Mythologie vereint verschiedenste Kulturen und ist reich an übernatürlichen Figuren und Fabelwesen, die bestimmte Eigenschaften, Kräfte oder Rollen im kosmischen Gefüge der jeweiligen Mythologie verkörpern und vermehrt in literarischen Werken auftauchen.
 
Eine zentrale Gruppe in vielen mythologischen Traditionen bilden die Götter und Göttinnen. In der griechischen Mythologie etwa herrschen die olympischen Götter über verschiedene Aspekte des Lebens und der Natur, von Zeus als Gott des Himmels bis zu Aphrodite, der Göttin der Liebe. In der ägyptischen Mythologie wiederum gibt es bekannte Götter wie Isis und Osiris.<ref>Joshua J. Mark, Marina Wrackmeyer (Übers.): ''[https://www.worldhistory.org/trans/de/1-427/mythologie/ Mythologie]''. In: ''World History Encyclopedia''. 31. Oktober 2018, abgerufen am 16. Oktober 2025.</ref>
 
Viele Mythen erzählen von Heldenfiguren und Halbgöttern, die oft als Sterbliche mit übermenschlichen Fähigkeiten dargestellt werden. Darunter sind prominente Beispiele aus der griechischen Mythologie wie Herakles, der zwölf große Aufgaben bewältigen musste, und Achilles, der Kriegsheld von Troja.<ref>''[https://griechische-mythologie.fandom.com/wiki/Halbgott Halbgott]''. In: ''Griechische Mythologie Wiki'', abgerufen am 16. Oktober 2025.</ref>
 
Naturgeister kommen in fast allen ethnisch-religiösen Mythen vor; etwa Feen und Elfen in der nordischen und keltischen Mythologie. Elfen, auch ''[[Elben]]'' oder ''Albe'' genannt, gelten in der nordischen Mythologie als geheimnisvolle und naturverbundene Wesen, die sowohl wohlwollend als auch tückisch sein können. So sind Alben in der germanischen Mythologie unheilvolle Geister, die sich auf die Brust schlafender Menschen setzten und dabei ein Gefühl von Beklemmung und Angst hervorruften, wodurch das Wort „Albtraum“ entstand.<ref>Leoni Gebhardt: ''[https://www.bachelorprint.de/rechtschreibung/albtraum/ Albtraum oder Alptraum – Die richtige Schreibweise]''. In: ''BachelorPrint'', 21. Juni 2024. Abgerufen am 16. Oktober 2025.</ref><ref>''[https://web.archive.org/web/20220528164413/https://www.wikingar.de/Alben-in-der-nordischen-Mythologie Alben in der nordischen Mythologie]''. In: ''Wikingar'', 24. Februar 2024, abgerufen am 16. Oktober 2025.</ref> Ihre Rolle hat sich in der modernen Literatur primär durch [[J. R. R. Tolkien]] weiterentwickelt, wo sie als weise und edle Wesen erscheinen. Ähnliche Gestalten, wie [[Bilwisse|Kobolde]], existieren auch in der britischen Folklore.
 
In fast allen mythologischen Geschichten gibt es bedrohliche Kreaturen, wie Dämonen und Ungeheuer, die oft die Rolle des Gegenspielers einnehmen. Die ägyptische Mythologie beschreibt Apep, die Chaos-Schlange, während die griechische Mythologie von der bedrückenden Geschichte der Medusa erzählt.
 
== Tolkiens Mythologie ==
 
''Siehe auch:'' [[Legendarium]]
 
=== Vorgeschichte ===
 
Zeit seines Lebens beschäftigte sich [[J. R. R. Tolkien]] als Schüler, Wissenschaftler und Autor mit der Mythologie. Als Schüler und Wissenschaftler interessierte ihn insbesondere die nordische Mythologie, in seiner Funktion als Autor erschuf er eine [[Legendarium|eigene Mythologie]].
 
Tolkiens Niederschrift des Gedichts ''[[Die letzte Reise von Earendel|The Voyage of Earendel the Evening Star]]'' im September 1914 kann historisch betrachtet den Anfang seiner Mythologie darstellen.<ref name=B>[[Humphrey Carpenter]]: ''[[J. R. R. Tolkien: Eine Biographie]]''. Klett-Cotta, Stuttgart 2022, S. 119.</ref> Es berichtet – inspiriert von „Eala Earendel engla beorhtast!“, der Tolkien faszinierenden, titelgebenden Zeile aus dem ''Crist'' des ''[[Cynewulf]]'' – von Earendels Fahrt von der Mittelwelt aus, in der das Sternenschiff das Firmament durchquert, bis das Morgenlicht das Bild auslöscht.<ref name=B/> Er schrieb im Oktober des selben Jahres eine Umarbeitung der [[Kullervo|Geschichte von Kullervo]] aus dem [[Kalevala]], die nie beendet wurde. Sie wird als Vorstufe der Geschichte von [[Túrin Turambar]] im ''[[Das Silmarillion|Silmarillion]]'' angesehen.<ref>Humphrey Carpenter (Hrsg.): ''[[Briefe|J. R. R. Tolkien Briefe]]''. Anmerkungen zu [[Brief 1]], 6. Klett-Cotta, Stuttgart 2021, S. 563.</ref>
 
=== Das Buch der Verschollenen Geschichten ===
Der Grund dafür, neben selbsterfundenen [[Sprachen]] auch eine eigene Mythologie zu konzipieren, lag darin, dass Tolkien erkannte, dass Sprachen eine eigene Geschichte benötigen, um sie zu differenzieren und ihnen eine Entwicklung zu geben. Bereits in seinen ersten Earendel-Gedichten hatte er einen Teil dieser Geschichte umrissen und wollte sie nun aufschreiben. Tolkien begann, ein großes Werk in Prosa zu schreiben, das dennoch ein poetisches war, mit dem er seine Trauer um den [[T.C.B.S.]] (zwei der vier Mitglieder waren im Ersten Weltkrieg ums Leben gekommen) ausdrücken konnte. Außerdem wollte Tolkien eine Mythologie ''für'' [[England]] erschaffen, hatte er doch bereits in seiner Studienzeit, als er über das [[Kalevala]] schrieb, angedeutet, dass er wünschte, etwas von derselben Art würde England angehören. Er formulierte seinen Wunsch selbst rückblickend im [[Brief 131]] aus dem Jahr 1951 an [[Milton Waldman]]:
 
{{Zitat
|Text=Es gab aber eine Zeit, […] da hatte ich im Sinn, eine Sammlung von mehr oder weniger zusammenhängenden Legenden zu schaffen, die von den großen, kosmologischen bis hin zum romantischen Märchen reichen sollten – […] ein Werk, das ich einfach England widmen könnte, meinem Lande. […] Ich wollte manche der großen Erzählungen ganz ausführen, für viele andere dagegen nur ihren Ort im Zusammenhang bestimmen und es bei Skizzen belassen. Die Zyklen sollten zu einem majestätischen Ganzen verbunden sein und doch für andere Geister und Hände Raum lassen, die Farbe, Musik und Drama hinzutun könnten. Absurd!
|Autor=J. R. R. Tolkien, Humphrey Carpenter (Hrsg.)
|Quelle=''[[Briefe|J. R. R. Tolkien Briefe]]''. [[Brief 131]]. Klett-Cotta, Stuttgart 2021, S. 192.
}}
 
Nach seiner Rückkehr aus Frankreich im November 1916 begann er, wieder zu Hause in Great Haywood und mit [[Edith Tolkien|Edith]] wieder vereint, mit der Niederschrift des ''[[Das Buch der Verschollenen Geschichten|Book of Lost Tales]]'', aus dem schließlich das ''[[Das Silmarillion|Silmarillion]]'' entstehen sollte.<ref>Humphrey Carpenter: ''J. R. R. Tolkien: Eine Biographie''. Teil III, Kapitel 1: ''Die verschollenen Geschichten''.</ref>
 
== ''Mythologie'' in den Briefen Tolkiens ==
''Mythologie'' wird in folgenden Briefen Tolkiens erwähnt:<ref>J. R. R. Tolkien, [[Humphrey Carpenter]] (ed.): ''[[Briefe#Erste erweiterte englische Ausgabe – Taschenbuch|The Letters of J. R. R. Tolkien: Revised and expanded Edition]]''. ''Index'', Eintrag ''Mythology''. [[HarperCollins]], London 2025, S. 681.</ref>
 
* [[Brief 15]]
* [[Brief 25]]
* [[Brief 96]]
* [[Brief 131]]
* [[Brief 153]]
* [[Brief 154]]
* [[Brief 156]]
* [[Brief 180]]
* [[Brief 182]]
* [[Brief 211]]
* [[Brief 212]]
* [[Brief 256]]
* [[Brief 257]]
* [[Brief 259]]
* [[Brief 276]]
* [[Brief 297]]
* [[Brief 340]]
 
== Literatur ==
* Gerhard Bellinger: ''Knaurs Lexikon der Mythologie. Über 3000 Stichwörter zu den Mythen aller Völker.'' Area, Erftstadt 2005, ISBN 3-89996-270-2.
* Joseph Campbell: ''Die Masken Gottes.'' Dtv, München 1996.
# ''Die Mythologie der Urvölker.'' ISBN 3-423-30571-1.
# ''Mythologie des Ostens.'' ISBN 3-423-30572-X.
# ''Mythologie des Westens.'' ISBN 3-423-30573-8.
# ''Schöpferische Mythologie.'' ISBN 3-423-30574-6.
* Joseph Campbell: ''Der Heros in tausend Gestalten.'' Insel, Frankfurt am Main 2005 (dt. Erstausgabe 1953), ISBN 3-458-34256-7.
* Arthur Cotterell: ''Die Enzyklopädie der Mythologie: Klassisch, keltisch, nordisch.'' Edition XXL, Reichelsheim 2004, ISBN 3-89736-300-3.
* Alexander Eliot (Hrsg.): ''Myths.'' McGraw-Hill, New York 1976, ISBN 0-07-019193-X.
* Stephan Grätzel: ''Die Masken des Dionysos: Vorlesungen zu Mythologie und Philosophie.'' Turnshare, London 2005, ISBN 1-903343-63-1.
* Benjamin Hederich: ''Gründliches mythologisches Lexikon'' (''Digitale Bibliothek'', Band 135). Directmedia Publishing, Berlin 2006, ISBN 3-89853-535-5 (= Neusatz und Faksimile der Ausgabe Leipzig 1770).
* Otto Holzapfel: ''Lexikon der abendländischen Mythologie.'' Hohe, Erftstadt 2007, ISBN 978-3-86756-000-9.
* Christoph Jamme: ''„Gott an hat ein Gewand“: Grenzen und Perspektiven philosophischer Mythos-Theorien der Gegenwart.'' Habilitationsschrift. Bochum 1990. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-29033-9.
* Christoph Jamme, Stefan Matuschek (Hrsg.): ''Handbuch der Mythologie.'' Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2014, ISBN 978-3-8053-4753-2.
* Carl Gustav Jung, Karl Kerényi: ''Das göttliche Kind. Einführung in das Wesen der Mythologie.'' Patmos, Düsseldorf 2006 (Erstausgabe 1939/40), ISBN 3-491-69822-7.
* Robert von Ranke-Graves: ''Die Weiße Göttin. Sprache des Mythos.'' Rowohlt, Reinbek 2002 (Erstausgabe 1948), ISBN 3-499-55416-X.
* Monika Tworuschka, Udo Tworuschka: ''Als die Welt entstand… Schöpfungsmythen der Völker und Kulturen in Wort und Bild.'' Herder, Freiburg im Breisgau 2004, ISBN 3-451-28597-5.
* Almut-Barbara Renger: ''Zwischen Märchen und Mythos: Die Abenteuer des Odysseus und andere Geschichten von Homer bis Walter Benjamin. Eine gattungstheoretische Studie.'' Metzler, Stuttgart und Weimar 2006, ISBN 3-476-01986-1 ([http://www.gbv.de/dms/hbz/toc/ht014745567.pdf Inhaltsverzeichnis als PDF]).
* Wilhelm Vollmer: ''Wörterbuch der Mythologie aller Völker, mit über 300 Abbildungen'' (= ''Digitale Bibliothek.'' Band 17). Directmedia Publishing, Berlin 2002, ISBN 3-89853-117-1 (basierend auf der dritten Auflage von 1874: Vollversionen: [http://www.zeno.org/Vollmer-1874 zeno.org]; [http://www.vollmer-mythologie.de/ vollmer-mythologie.de]).
 
== Quellen ==
<references />
{{Wikipedia}}
 
[[Kategorie:Tolkiens Umfeld]]

Aktuelle Version vom 20. November 2025, 20:33 Uhr

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