Rassismus: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Rassismus''' bezeichnet grundsätzlich die Trennung von Menschen aufgrund äußerer Merkmale wie Hautfarbe und Gesichtszüge. In der Geschichte der Menschheit ging der Rassismus immer mit einer Wertung der "Rassen" einher. Die Unterschiede zwischen diesen Rassen wurden für unüberbrückbar erklärt und mit Sanktionen befestigt. Meist wird dabei gleichzeitig eine "Höherwertigkeit" der eigenen Rasse postuliert.
'''Rassismus''' ist eine ideologische Einstellung, bei der aufgrund äußerlicher Unterschiede zwischen Menschen – etwa der Hautfarbe, dem Körperbau und der Gesichtszüge – eine Wertung vorgenommen wird. Dabei werden die Menschen in verschiedene Rassen eingeteilt und zumeist die Höherwertigkeit der eigenen Rasse postuliert.
Der Rassismus ist wissenschaftlich nicht haltbar und gilt heute berechtigterweise als überholt.


==Mittelerde==
Die Rassentheorie fand vor allem im ausgehenden 19. Jahrhundert und im 20. Jahrhundert Anklang und infiltrierte Ethnologie, Kulturwissenschaft, Biologie und andere Wissenschaften. Im Nationalsozialismus diente sie als theoretische Grundlage, um Millionen von Menschen zu diffamieren, zu misshandeln und umzubringen.
Der Autor [[J.R.R. Tolkien]] und seine Leser werden von Kritikern manchmal des '''Rassismus''' bezichtigt, da in Mittelerde zwischen Rassen unterschieden wird. J.R.R. Tolkien selbst hat den Vorwurf, dass [[Der Herr der Ringe]] rassistisch sei, immer abgelehnt. Weitgehend offen ist aber, inwieweit unterbewusste Prägungen, Vorurteile und/oder kulturelle Traditionen in sein Werk eingeflossen sind. Viele Fans des Autors machen es sich etwas zu leicht, wenn sie schlicht darauf verweisen, dass Tolkien selbst den Vorwurf des Rassismus von sich wies.
Die Rassentheorie gilt heute als überholt, da sie wissenschaftlich nicht haltbar ist. Der Rassismus indessen hat sich als eine hartnäckige Ideologie erwiesen und führt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen.


Gegen einen undifferenzierten Rassismus-Vorwurf spricht die Tatsache, dass [[Der Eine Ring]] letztendlich nur durch die Zusammenarbeit einer "gemischtrassigen" Gruppe ([[Menschen]], [[Elben]], [[Hobbits]] und [[Zwerge]]n) vernichtet wird. Der entscheidende Sieg über die Kräfte des Bösen war nur durch eine Zusammenarbeit der Rassen möglich. In [[Mittelerde]] gibt es verschiedene Rassen, diese lassen sich aber nicht einfach auf die reale Welt übertragen.
==Kritikansätze==
Einige Kritiker entdecken in [[J. R. R. Tolkien]]s Werken, insbesonders im ''[[Der Herr der Ringe|Herrn der Ringe]]'', rassistische Ansätze, darunter der Literaturwissenschaftler Stephen Shapiro, die Journalisten John Yatt und Michael Jovy und in jüngster Zeit der Fantasyautor China Miéville. Von Tolkien selbst sind jedoch keine rassistischen Äußerungen überliefert; der Vereinnahmung als „arischer Autor“ durch den deutschen Verlag [[Rütten & Loening]], der 1938 den ''[[Der Hobbit|Hobbit]]'' übersetzen wollte, hat er sich vielmehr ausdrücklich verwahrt.


Unter den Menschen bei Tolkien gibt es ebenfalls Unterschiede, sowohl im Wesen, als auch in der Herkunft und der Lebensdauer.
Dennoch werfen Tolkiens Romane die Frage auf, wieweit er von dem mitunter rassistischen Zeitgeist der 1920er – 1940er Jahre unbewusst geprägt wurde. In der Tat teilt Tolkien das Personal seiner Romane in unterschiedliche Rassen ein, die sich klar durch äußere Merkmale, aber auch durch innere Charakterzüge unterscheiden. Während die [[Elben]] als überirdisch schöne, kulturell hochstehende Wesen beschrieben werden, stehen auf der anderen Seite die [[Orks]] als Vertreter eines hässlichen, niederträchtigen und brutalen Volks mit kannibalistischer Veranlagung. Dies erinnert an die klischeehafte Darstellung afrikanischer und indianischer Völker in Reiseberichten aus dem 16. – 19. Jahrhundert. Hinzu kommt, dass die Orks letztlich degenerierte Elben sind, die durch Züchtung entstanden. Auch der „degenerierte“ [[Hobbit]] [[Gollum]] erinnert in seiner Bösartigkeit, Niederträchtigkeit und Unterwürfigkeit sowie seinem "schleimigen Aussehen" an die damals üblichen Karikaturen von als minderwertig erachteten Rassen oder Völkern.  
Man mag Tolkien vorwerfen, seine Weltkonstruktion hätte Ähnlichkeiten mit derjenigen des Rassismus. Schließlich kommen die "Guten" meistens aus dem Westen, die "Bösen" aus dem Osten und Süden - am deutlichsten im Herr der Ringe. Man muss beachten, dass Tolkien als Engländer für ein europäisches oder allgemein westliches Publikum geschrieben hat und sich deshalb auch in diesem kulturellen Umfeld einschreibt.


Ein fast gänzliches Fehlen von "Hybriden" (von den [[Bilwiss-Menschen]] bzw. [[Uruk-hai]] abgesehen, die eindeutig zum "Bösen" gehören) zwischen "Gut & Böse" oder "Schwarz & Weiss" allein ist nicht Indiz genug für Rassismus in Tolkiens Werken. Das Werk und sein Plot leben von der klaren Rollenverteilung und Grenzziehung zwischen "Gut & Böse", ein liebenswürdiger, netter "Quoten-Ork" würde mehr schaden als nutzen, zumal es eine Art Grenzgänger mit [[Gollum]] ja doch gibt, und das sogar in einer absoluten Schlüsselrolle. Tolkien Rassismus vorzuwerfen würde bedeuten, die Maßstäbe unserer Welt an seine Welt anzulegen, und da es beim "Herrn der Ringe" sich um keinerlei Allegorie o.ä. handelt, kann das nur verfehlt sein.
Es lässt sich nicht leugnen, dass Tolkiens Terminologie (Rassen, Züchtung) und seine eindeutige Gegenüberstellung guter und böser Rassen den Geist der 1930er und 1940er Jahren widerspiegeln, in denen der ''Herr der Ringe'' entstand. Damals wurden Theorien wie die Eugenik, „Rassenhygiene“ und eine rassistisch determinierte Rassen- und Völkerkunde als Wissenschaft betrieben, und dies nicht allein in faschistischen Staaten. So ließe sich argumentieren, dass sich Tolkien den damals geführten Diskursen nicht gänzlich entziehen konnte und zumindest indirekt durch sie beeinflusst wurde.
 
Allerdings kann auch die Gegenseite der Tolkien-Befürworter (darunter der Literaturwissenschaftler Patrick Curry) einige Argumente anführen, um den Rassismus-Vorwurf zu entkräften, etwa die Tatsache, dass der [[Der Eine Ring|Eine Ring]] letztlich nur vernichtet werden kann, indem [[Menschen]], Elben, Hobbits und [[Zwerge]] zusammenarbeiten. Gerade die [[Gemeinschaft des Ringes]] spiegelt diesen Sachverhalt; hier sind Vertreter mehrerer Rassen vereint und kämpfen gemeinsam gegen das Böse.
 
Aus den genannten Gründen ist es wichtig, die Debatte um rassistische Ansätze in Tolkiens Werk differenziert zu führen. Auf der einen Seite macht man es sich gewiss zu einfach, Tolkien Rassismus vorzuwerfen, gerade vor dem Hintergrund seiner dezidierten Ablehnung der Rassentheorie. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, in welcher Zeit ''Der Herr der Ringe'' entstand und darf sich einer kritischen Betrachtung des Romans unter diesen Vorzeichen nicht gänzlich verwehren.
 
==Weblinks==
*[http://www.tolkiengesellschaft.de/v4/alleszutolkien/news/news20030103.shtml Dokumentation des Artikels von Dr. Stephen Shapiro auf der Webseite der Deutschen Tolkien Gesellschaft]
*[http://film.guardian.co.uk/lordoftherings/news/0,11016,852217,00.html Tolkienkritischer Artikel von John Yatt im Guardian, 2. Dezember 2002, anlässlich der Filmtrilogie]
*[http://www.polyoinos.de/tolk_stuff/currys.htm Über Patrik Currys Untersuchung ''Defending Middle-Earth'']
 
==Literatur==
* Patrick Curry: ''Defending Middle-Earth. Tolkien: Myth and Modernity''. New York: St. Martin’s Press, 1997.
* Patrick Curry: „Tolkien and His Critics: A Critique“. Th. Honegger (Hrsg.): ''Root and Branch''. 1999. S. 81–148.
* Anderson Rearick: „Why is the Only Good Orc a Dead Orc? The Dark Face of Racism Examined in Tolkien’s World“. ''Modern Fiction Studies'', Issue 50.4 (2004). S. 861–874.
* Michael Jovy: „Weiß und blond und blauäugig. Eine Warnung vor Tolkiens ''Der Herr der Ringe''“. ''Die Zeit'', März 1980.
* China Miéville: „Mittelerde trifft Mittelengland“. ''Magira-Jahrbuch zur Fantasy 2003''. Marburg: 2003. S. 165–170.


[[Kategorie:Tolkiens Umfeld]]
[[Kategorie:Tolkiens Umfeld]]
[[Kategorie:Rassen und Völker]]
 
[[en:Racism in Tolkien's Works]]

Aktuelle Version vom 2. Juni 2021, 16:26 Uhr

Rassismus ist eine ideologische Einstellung, bei der aufgrund äußerlicher Unterschiede zwischen Menschen – etwa der Hautfarbe, dem Körperbau und der Gesichtszüge – eine Wertung vorgenommen wird. Dabei werden die Menschen in verschiedene Rassen eingeteilt und zumeist die Höherwertigkeit der eigenen Rasse postuliert.

Die Rassentheorie fand vor allem im ausgehenden 19. Jahrhundert und im 20. Jahrhundert Anklang und infiltrierte Ethnologie, Kulturwissenschaft, Biologie und andere Wissenschaften. Im Nationalsozialismus diente sie als theoretische Grundlage, um Millionen von Menschen zu diffamieren, zu misshandeln und umzubringen. Die Rassentheorie gilt heute als überholt, da sie wissenschaftlich nicht haltbar ist. Der Rassismus indessen hat sich als eine hartnäckige Ideologie erwiesen und führt immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Bevölkerungsgruppen.

Kritikansätze

Einige Kritiker entdecken in J. R. R. Tolkiens Werken, insbesonders im Herrn der Ringe, rassistische Ansätze, darunter der Literaturwissenschaftler Stephen Shapiro, die Journalisten John Yatt und Michael Jovy und in jüngster Zeit der Fantasyautor China Miéville. Von Tolkien selbst sind jedoch keine rassistischen Äußerungen überliefert; der Vereinnahmung als „arischer Autor“ durch den deutschen Verlag Rütten & Loening, der 1938 den Hobbit übersetzen wollte, hat er sich vielmehr ausdrücklich verwahrt.

Dennoch werfen Tolkiens Romane die Frage auf, wieweit er von dem mitunter rassistischen Zeitgeist der 1920er – 1940er Jahre unbewusst geprägt wurde. In der Tat teilt Tolkien das Personal seiner Romane in unterschiedliche Rassen ein, die sich klar durch äußere Merkmale, aber auch durch innere Charakterzüge unterscheiden. Während die Elben als überirdisch schöne, kulturell hochstehende Wesen beschrieben werden, stehen auf der anderen Seite die Orks als Vertreter eines hässlichen, niederträchtigen und brutalen Volks mit kannibalistischer Veranlagung. Dies erinnert an die klischeehafte Darstellung afrikanischer und indianischer Völker in Reiseberichten aus dem 16. – 19. Jahrhundert. Hinzu kommt, dass die Orks letztlich degenerierte Elben sind, die durch Züchtung entstanden. Auch der „degenerierte“ Hobbit Gollum erinnert in seiner Bösartigkeit, Niederträchtigkeit und Unterwürfigkeit sowie seinem "schleimigen Aussehen" an die damals üblichen Karikaturen von als minderwertig erachteten Rassen oder Völkern.

Es lässt sich nicht leugnen, dass Tolkiens Terminologie (Rassen, Züchtung) und seine eindeutige Gegenüberstellung guter und böser Rassen den Geist der 1930er und 1940er Jahren widerspiegeln, in denen der Herr der Ringe entstand. Damals wurden Theorien wie die Eugenik, „Rassenhygiene“ und eine rassistisch determinierte Rassen- und Völkerkunde als Wissenschaft betrieben, und dies nicht allein in faschistischen Staaten. So ließe sich argumentieren, dass sich Tolkien den damals geführten Diskursen nicht gänzlich entziehen konnte und zumindest indirekt durch sie beeinflusst wurde.

Allerdings kann auch die Gegenseite der Tolkien-Befürworter (darunter der Literaturwissenschaftler Patrick Curry) einige Argumente anführen, um den Rassismus-Vorwurf zu entkräften, etwa die Tatsache, dass der Eine Ring letztlich nur vernichtet werden kann, indem Menschen, Elben, Hobbits und Zwerge zusammenarbeiten. Gerade die Gemeinschaft des Ringes spiegelt diesen Sachverhalt; hier sind Vertreter mehrerer Rassen vereint und kämpfen gemeinsam gegen das Böse.

Aus den genannten Gründen ist es wichtig, die Debatte um rassistische Ansätze in Tolkiens Werk differenziert zu führen. Auf der einen Seite macht man es sich gewiss zu einfach, Tolkien Rassismus vorzuwerfen, gerade vor dem Hintergrund seiner dezidierten Ablehnung der Rassentheorie. Auf der anderen Seite darf man nicht vergessen, in welcher Zeit Der Herr der Ringe entstand und darf sich einer kritischen Betrachtung des Romans unter diesen Vorzeichen nicht gänzlich verwehren.

Weblinks

Literatur

  • Patrick Curry: Defending Middle-Earth. Tolkien: Myth and Modernity. New York: St. Martin’s Press, 1997.
  • Patrick Curry: „Tolkien and His Critics: A Critique“. Th. Honegger (Hrsg.): Root and Branch. 1999. S. 81–148.
  • Anderson Rearick: „Why is the Only Good Orc a Dead Orc? The Dark Face of Racism Examined in Tolkien’s World“. Modern Fiction Studies, Issue 50.4 (2004). S. 861–874.
  • Michael Jovy: „Weiß und blond und blauäugig. Eine Warnung vor Tolkiens Der Herr der Ringe“. Die Zeit, März 1980.
  • China Miéville: „Mittelerde trifft Mittelengland“. Magira-Jahrbuch zur Fantasy 2003. Marburg: 2003. S. 165–170.